In Teil I haben wir euch von unseren Ess-Erfahrungen und den Üblichen Lebensmitteln aus Togo, Westafrika berichtet. Jetzt in Teil II schreiben wir euch, was wir in unseren 6 Jahren Selbst-Versorger Paradies Odrintsi ausprobiert, gelernt und erfahren haben:
Odrintsi, Bulgarien
Es mag eigenartig klingen, aber am meisten freuten wir uns nach 8 Jahren leben in Afrika über Kartoffeln! DAS europäische Essen schlechthin für uns 🙂
Damals reisten wir nicht alle gleichzeitig nach Europa, sondern Etappenweise. Zu allererst flogen Sven, Anna, Gabi, Eon, Lynn, Mathis und ich vor. Wir wollten vor allem die Kinder aus der Schusslinie haben, falls es haarig in Togo werden würde. Unser erster Aufenthaltsort war Kardzahli, gut 2 Stunden Fahrt entfernt von Odrintsi – genau jenem Dorf an der griechischen Grenze, das später unser zu Hause werden würde.
Schon damals fuhren wir mit einer neu gewonnenen Freundin in den Dörfern Odrintsi, Meden Buk, Mandritsa und Siv Kladenets herum und besahen uns die Gegend, in der wir uns eine neue Heimat aufbauen wollten. Zuerst wollten wir uns in Cherna Cherkva niederlassen, eine weit abgelegene kleine verlassene Siedlung, zu der keine Straße führte. Aber ein alter Mann, mit dem nicht gut Kirschen essen war, beanspruchte die paar halb verfallenen Gebäude als sein Eigentum.
Und wir entschieden uns keinen Streit vom Zaun zu brechen, das würde kein guter Einstieg für uns werden.
Also wurde Odrintsi unser neues zu Hause, welches damals nur noch von 2 Menschen bewohnt wurde: Einer über 80jährigen alten Frau und einem gut 60jährigen Schäfer.
Das verlassene Ambiente und die zerfallenen Häuser machten zuerst einen verschrobenen Kriegseindruck auf uns, aber wir ließen unseren Verstand bald links liegen, denn die Natur um diesen Ort herum hat schon etwas Beeindruckendes zu bieten:
Es gibt weite Berge und sanfte Hügel, dazu ebene Wiesen und gleich wieder Flussauen und Bäche. Das alles in einem einzigen riesigen Tal! Eine traumhafte Ebene, wo kein Berg gleich bewachsen war und es jede Menge zu entdecken gab.
Hier unsere selbst-versorger übersicht:
1. Brot ist nicht überall gleich!
Zu Anfang wohnten wir in Kardzahli in einem alten Hotel, mit rund 11 Mann in einem kleinen Apartment. Bulgarien hat nicht die Brotkultur zu bieten wie man sie aus Deutschland kennt.
Haben die meisten Länder auf der Welt nicht. In Togo ist Brot immer aus 100 % feinem Weizenmehl hergestellt, Weißbrot pur! In Bulgarien auch. Gutes Brot = feines Weißbrot… „Pampe-Brot“ haben wir es immer genannt, denn die Toastähnliche Pampe-Matsch-Konsistenz klebt schnell am Gaumen und man muss langsam essen, damit einem nichts im Halse kleben bleibt!
Nachdem wir unsere Zelte in Odrintsi aufgeschlagen hatten begannen wir direkt den alten Brotbacken-Ofen aus Lehm zu reparieren. In Togo hatten wir bereits selbst Backöfen aus Lehm gebaut, jetzt fiel es uns leichter diesen hier herzurichten, um ihn direkt nutzen zu können.
Wo wir anfangs noch Weißbrot buken, weil kein anderes Mehl als feines Weizenmehl zu finden war, wurden wir mit der Zeit immer erfinderischer und bekamen Auswahl an Getreidesorten. Wir bauten Roggen an. Dinkel, Weizen, Gerste, Nackthafer, Kamut und auch Einkorn.
Für uns hat Weizen einen extrem hoch gezüchteten Klebeanteil, der regelrecht die Energiebahnen im Körper verstopfen lässt. Daher essen wir Weizen, aber in Maßen!
Es wird schon seinen Grund haben, dass die Welt sich so auf den Weizen gestürzt hat – wir halten lieber Abstand, denn Weizen ist für uns im Übermaß nicht gut für die Gesundheit – und erst Recht nicht nötig um gutes Brot zu backen!
Da manche von uns Sauerteig und Roggen nicht gut vertrugen hielten wir den Roggen-Anteil im Brot bei etwa 10 % bis 20 %.
Um Klebeanteil im Brot zu haben, sonst kann man einfach nicht backen, nahmen wir anstatt Weizen einfach Dinkel oder auch Kamut. Auch Einkorn ist zum Brot backen hervorragend geeignet! Die Neuzüchtung „Triticale“ probierten wir aus, blieben aber dann beim Althergebrachten.
Buchweizen hat unglaublich viele Nährstoffe, und eignet sich super als Beigabe im Brotteig. Wir verarbeiteten öfter Kürbiskerne, Sonnenblumenkerne und auch Leinsamen im Brot, um es hochwertiger zu machen. Um uns und den Kindern eine Freude zu machen wurden auch Trockenfrüchte wie Feigen und Äpfel zusammen mit Zuckerrüben-Sirup im Brotteig verbacken 😉
Durch unser Laufrad, das auch eine Mühle antrieb, mahlten wir unser eigenes Korn selbst in dem Feinheits-Grad, wie wir unser Mehl haben wollten. Wir lernten, dass Mehl nicht unbedingt megafein sein muss um gutes Brot zu bekommen!
Mit der Zeit sprachen sich unsere Backkünste herum, und so manch Deutscher, der gutes Knusper-Brot mit vollem Korn aus Deutschland kannte und vermisste kam bei uns vorbei um sich Brot zu besorgen.
2. Obst & Gemüse Anbau
Obst
Im ersten Jahr beschenkten uns alte Kirschbäume reichlich, und wir freuten uns über so viel Obst. Es gab Äpfel und Feigen, die von uns keiner frisch kannte. Vorsicht wenn ihr zu viel davon frisch esst!
Feigen roh vom Baum (ja, Baum, nicht Strauch! In Bulgarien werden sie tatsächlich meterhoch!) haben einen weißlichen Saft, der nach zu viel Verzehr auf den Lippen und im Halse anfängt unangenehm zu brennen. Kratzbeeren gab es reichlich, die wilde Variante der Brombeere, die kleinere Früchte zu bieten hat.
Wir liebten die Kaki-Früchte, die auch Sharon heißen, und schätzten die Vitamine, die diese spät reifenden Früchte uns lieferten. Denn man erntet sie erst nach dem ersten Frost. Ideal um den Vitamin Haushalt wieder aufzufrischen.
Wir liebten die wild wachsenden Erdbeeren, legten uns aber auch einen Erdbeer-Garten an – und Himbeer-Haine. Ein alter Birnbaum beschenkte unsere Kinder mit exzellenten Birnen, auf die sie wochenlang voller Eifer warteten. Auch viele Mirabellen und Pflaumenbäume gab es in dem kleinen Dorf.
Die alten Weinreben im ganzen Dorf schenkten uns im Herbst so reichlich Trauben, dass man wirklich essen konnte so viel man wollte!
Hier lernten wir, dass alte robuste Sorten für unsere Zwecke viel mehr taugten als spezielle Züchtungen, die zwar extra große oder extra süße Früchte hervorbrachten, aber ohne Spritzmittel keine richtigen Früchte zuwege brachten…
Dasselbe erlebten wir bei Apfelbäumen: Alte Sorten trugen auch ohne spezielle Insektizid- und Pilzbehandlung exzellente Früchte an ihren Zweigen. Bei Extra-Zuchtsorten erlebten wir, dass diese Bäume es gar nicht schafften reife Früchte zu produzieren, sie faulten schon am Baum bevor sie Reife entwickelten, da sie nicht behandelt wurden.
Zu sagen sei hier, dass wir unsere geschätzten Weinreben gegen Pilz schützten, indem wir die Blätter noch vor der Blüte mit Molke bestäubten. Das wirkte gut!
Unsere alte Nachbarin ließ ihre Weinreben von ihrem Sohn 8 x (!) mit Pestiziden spritzen. Ein ganz normaler Akt um seine Trauben schön groß werden zu lassen… Nachbarin Baba Ruska hatte durchaus größere Trauben als wir, dafür aber mit einem grünlichen Pulver behaftet, dass die chemischen Behandlungen direkt sichtbar werden ließ…
Gemüse
Bulgarien ist berühmt für seinen Tomaten- und Paprika-Anbau. Bulgaren lieben deftiges Essen mit viel Knoblauch, und natürlich vielen Tomaten und Paprika, die überall gegrillt und eingelegt zu kaufen sind.
Wir ließen uns von unserer alten Nachbarin beraten und bauten ebenfalls Tomaten und Paprika an. Wir pflanzten jede nur erdenkliche Sorte von Tomate an: Cocktail- & Fleischtomaten. Tigerella, dunkelrote und gelbe Sorten. Auberginen wuchsen gut und Zucchinis gingen so exzellent an den Start, dass wir so manches Mal viel zu viele hatten. Wir kamen trotz einkochen, trocknen und Essen einfach nicht hinterher die Schwämme an Zucchinis zu verarbeiten.
Gurken wuchsen prächtig und wir freuten uns sehr darüber noch mal Gurken essen zu können! Auch Kürbis wuchs spitze, wir hatten so viele Kürbisse, dass sie so manches Mal die Kartoffel als Hauptmahlzeit ersetzte.
Wir probierten uns im Anbau von Topinambur, dazu noch viele Bohnen-Sorten, alle möglichen Salatsorten und vor allem Kohl wurde reichlich angebaut. Im nächsten Jahr hatten wir die wunderlichsten Kohlsorten im Garten, da sie sich alle untereinander gekreuzt und vermischt hatten. Erbsen gediehen auf Feldern und wurden Vollreif und Grün geerntet, wozu sie aus der Schale gepellt wurden. Kichererbsen gingen auch gut.
Unser Ziel war die komplett autarke Versorgung, und darauf arbeiteten wir uns akribisch hin!
3. Ölpresse, Dreschmaschine & Mühle
Öl
Ein Garten ist ja relativ „schnell“ umgesetzt. Aber wie sieht es mit den Feinheiten der Küche aus?
Öl zum Beispiel?
Um dieses Problem der Selbstversorgung zu lösen bauten wir Raps und Sonnenblumen an. Bastian entwickelte eine Ölpresse die durch unser Laufrad betrieben werden konnte. Davor hatten wir eine Handölpresse, die aber bei den von uns benötigten Mengen schnell den Geist aufgab.
Sobald das System mit unserem Laufrad funktionierte blieben wir konsequent dabei: Wurde Öl gebraucht musste gelaufen werden! Und so wird einem auch bewusst, wie wertvoll Öl ist, denn es ist schwer zu gewinnen.
Wir stellten selber Wein und Bier her. Auch Apfelsaft. Aus Rückständen von Most wurde Essig gewonnen. Ebenfalls ein sehr wichtiger Rohstoff, um Lebensmittel über den Winter haltbar zu machen, noch dazu schmackhaft, wenn man es richtig anstellt.
4. Zucker
Und was ist mit Zucker…? Auch dafür suchten wir nach einer Lösung!
Von Stevia sind wir nach wie vor nicht die größten Freunde, denn wer sich mal genau anschaut, wozu die Ureinwohner diese Pflanze medizinisch nutzten, der wird sich fragen, ob es wirklich gut ist diese Pflanze mit bestimmten Wirkstoffen dauerhaft als Zuckerersatz einzunehmen.
Zuckerrohr hatten wir schon in Togo genutzt, dafür war es hier allerdings viel zu kalt… Aus Topinambur konnte Zucker gewonnen werden, was wir auch ausprobierten – aber es stellte sich heraus, dass die gute alte Zuckerrübe tatsächlich am effektivsten für uns war:
Allmorgendlich zur Erntezeit wurden 2 Schubkarren Zuckerrüben ausgegraben und gewaschen. Anschließend kamen sie in eine Presse.
Der Sagt wurde gewissenhaft aufgefangen und in breiten Töpfen du Pfannen stundenlang gesintert. So ergibt sich eine dunkelbraune zähe Flüssigkeit, die süß und würzig zugleich schmeckt. Wer das ein paar Mal gemacht hat wird den Trick kennen gelernt haben: Wenn man sintert bis der Sirup im Topf dicklich ist, der hat zu lange gesintert!
Der Trick ist KURZ DAVOR aufzuhören und den Sirup umzufüllen. Durch das Erkalten dickt der Saft weiter ein. Durch das zu lange Sintern erhält er einen bitteren Geschmack!
Den bekommt der Sirup auch schnell, wenn die Zuckerrüben zu lange schon ausgemacht auf ihre Verarbeitung gewartet haben. Am besten so frisch wie möglich direkt verarbeiten!
Entspelzen / Dreschen
Wer schon einmal versucht hat Gerste aus seiner Schale zu befreien, der weiß, wie kniffelig und schwierig das ist!
Wir hatten schon bei unserer Ankunft die alten Holzschlitten begutachtet, unter denen viele hunderte Steine angebracht worden waren. Eine Heidenarbeit so etwas herzustellen.
Mit diesen Schlitten hatten die alten Bulgaren damals ihren Einkorn vom Spelz befreit, indem sie die Ähren auf einer ebenen Fläche ausbreiteten und mit den Schlitten immer und immer wieder, gezogen von Eseln, darüber fuhren. Die Steine, durch das hölzerne Gewicht des Schlittens uns des aufsitzenden Menschen beschwert, entspelzten so den wertvollen Einkorn.
So bauten wir direkt Nackthafer an, was ebenfalls nicht ganz leicht ist, denn es reicht ein einziges „normales“ Haferfeld in der Nähe, und der Nackthafer verabschiedet sich und kreuzt sich mit der althergebrachten Sorte wieder zum spelzbehafteten Hafer zurück…
Unser Laufrad betrieb bald auch eine selbst gebaute Dreschmaschine, die gut funktionierte. Aber auch das führte uns vor Augen, wie hart die Menschen damals arbeiteten, bis sie vom Anbau des ersten Kornes bis zum gewonnenen Mehl dann endlich ihr Brot backen konnten.
Alles musste gut geplant sein und mit einem glücklichen Händchen durchgeführt werden. Richtiges Einsäen und pflegen. Perfekter Schnitt zur richtigen Zeit und bloß nicht zu viel Regen! Abschließend das Aufstellen und Trocknen der gebundenen Garben. Das nach Hause bringen ohne großen Verlust und dreschen. Dann weiter sortieren, einlagern, Mäuse und Käfer sicher machen und schließlich das mahlen.
5. Fraß-Schutz
In Togo wurde Getreide wie Reis mit Asche eingepudert und gelagert, um es vor Käferfraß zu schützen. In Bulgarien gab es ein bestimmtes Kraut, das am Fluss wuchs, welches getrocknet mit ins Getreidefass hinzugegeben wurde.
Unsere Ernte an Einkorn betrug in einem Jahr rund 1 200 kg ohne Spelz. Zuviel um in einem Sack gelagert rum zu stehen und stolz aufbewahrt zu werden.
Mit der Zeit hatten wir ein Lagerhaus renoviert, indem auf der oberen Etage ein einziger großer Raum unser Getreidelager wurde. Einzelne Abschnitte wurden mit ca. 120 cm hohen Holzwänden abgetrennt, in diese großen Setzkästen wurde das Getreide lose hinein geschüttet. Wurde Mehl gebraucht, dann füllten wir das entsprechende Getreide in Säcke und mahlten es.
Hier sei die gute alte Hauskatze erwähnt! Denn sie schafft es tatsächlich Mäuse und Ratten fernzuhalten, die sich selbst durch Lehmwände im Winter hindurch fressen um an Nahrung zu gelangen – ist uns passiert. Nicht jede Katze ist ein guter Jäger, aber diejenigen unter den nachtaktiven leisen Vierbeinern, die sogar dicke Ratten nicht scheuen, die solltet ihr euch warm halten!
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Endlich die Kommentarfunktion gefunden – muss doch zu vielem meinen Senf dazugeben 😉 möchte aber auch, dass ihr seht, dass hier gelesen wurde!
Danke für dieses kleine, wunderbare, informative „Referat“.